Selbstfürsorge für Therapeuten – das mache ich morgen!?

Selbstfürsorge für Heilpraktiker Psychotherapie

Inhalt

Selbstfürsorge für Heilpraktiker Psychotherapie

Psychotherapeutisch tätige und Berater helfen anderen Menschen dabei, psychische Probleme zu verarbeiten und zu überwinden. Diese Arbeit erfordert jedoch viel von den Behandelnden selbst: Einfühlungsvermögen, Disziplin, Ausdauer und vor allem die Fähigkeit, sich von den Problemen der Klienten so weit zu distanzieren, damit sich die eigene emotionale Belastung in Grenzen hält. Wenn wir einer Lebensgeschichte zuhören, dann sitzen wir den ganzen Tag in der vordersten Reihe und können, wie niemand sonst, den menschlichen Dramen beiwohnen. Um dabei zentriert, wertschätzend und respektvoll gegenüber den Klienten bleiben zu können, ist die Selbstfürsorge sehr wichtig.

Was bedeutet Selbstfürsorge?

Selbstfürsorge meint die Fähigkeit, mit sich gut umzugehen, zu sich selbst gut zu sein, sich zu schützen und nach sich selbst zu schauen. Es bedeutet, die eigenen Bedürfnisse zu berücksichtigen, Belastungen richtig einzuschätzen, sich selbst nicht zu viel abzuverlagen und sensibel für Überforderungen zu bleiben. Selbstfürsorge beinhaltet somit auch, die eigenen Grenzen zu kennen und diese entsprechend zu respektieren. Es beinhaltet, sich selbst Aufmerksamkeit entgegenzubringen und sich der eigenen Bedürfnisse überhaupt erst einmal klar zu werden. Wenn ich in der Lage bin mich und meine eigenen Bedürfnisse zu fühlen, zu ihnen zu stehen und sie als ein Teil von mir zu akzeptieren, dann kann ich auch gut für mich selbst sorgen.

Mitgefühl und Empathie – auch zu sich selbst

Wenn man sich auf einen intensiven, professionellen Kontakt zu einem anderen Menschen einlässt, ist echte Empathie nicht anstrengend, erfordert aber auch die Fähigkeit mit sich selbst Mitgefühl haben zu können. Studien zeigen, dass sich die Haltung des Therapeuten sich selbst gegenüber auf die Patienten überträgt und maßgeblich den Therapieverlauf beeinflusst. Zudem bedürfen Therapeuten des Selbstmitgefühls, um die Probleme und das Leid ihrer Patienten halten zu können, ohne dabei selbst zu erschöpfen und zu überfordern. Selbstfürsorge dient also der fürsorglichen Kontrolle und Steuerung des eigenen Verhaltens und der eigenen Befindlichkeit.

Was bewirkt Selbstfürsorge?

Selbstfürsorge sollte für psychotherapeutisch tätige oberste Priorität haben, da sie die Basis für alles andere ist. Selbstfürsorge ist nicht etwas, das man kurz nebenbei macht, wenn gerade mal ein bisschen Zeit ist, sondern sollte ein fester Bestandteil der beruflichen Identität sein. Sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen und zu reflektieren ist in vielerlei Hinsicht unterstützend.

Unter anderem:

  • Verbessert es den Umgang mit besonderen Belastungen
  • Vermeidet es negative Rückwirkungen auf die Therapiesitzungen
  • Negative Folgen für unser privates und soziales Umfeld werden vermieden
  • Erhält und fördert es unsere berufliche Neugierde, Interesse und Freude
  • Verhindert es übermäßige physische und psychische Beanspruchungen und somit auch dadurch bedingte Erkrankungen
  • Üben wir uns in achtsamer, nicht bewertender Selbst- und Fremdwahrnehmung, Selbstreflexion, Selbstmitgefühl, Selbsterkenntnis
  • Wir schulen und trainieren ebenso unsere emotionale und psychosoziale Intelligenz und Kompetenz
  • Ermöglicht es eine neue Art der Supervision und Selbsterfahrung

Wie kann ich feststellen, dass ich zu wenig für mich selbst sorge?

Um festzustellen, ob es wirklich ein Genug an Selbstfürsorge ist, hilft es, sich selbst ein paar Fragen ehrlich zu beantworten.

  • Fühle ich mich seit einiger Zeit immer mehr überfordert und am fast Ende meiner körperlichen Leistungsfähigkeit?
  • Gibt es körperliche Symptome Herz oder Wirbelsäule betreffend, oder leide ich unter Kopfschmerzen oder Ohrgeräuschen/Tinnitus?
  • Treten während, vor oder nach der Arbeit vermehrt negative Stimmungen und Gefühle auf?
  • Erscheint mir vieles von dem, was ich zu tun habe, lästig, oder im schlimmsten Fall, ausgesprochen unangenehm?
  • Empfinde ich häufig Angstgefühle, Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle oder aber Ärger, Wut und Empörung?
  • Ermüde ich in letzter Zeit schneller?
  • Erlebe ich Patienten als nervend,lästig oder als zu anspruchsvoll und fordernd?
  • Fühle ich mich von Patienten bedroht?
  • Entwickle ich Angst vor möglichem aggressiven Verhalten, Vorwürfen usw.?
  • Bringe ich immer weniger echte Anteilnahme und Empathie für einige Patienten auf?
  • Fange ich an, den Sinn meiner Arbeit abzuwerten?
  • Kostet mich meine Arbeit immer mehr Energie und zweifle ich verstärkt daran, dass sich alles wirklich lohnt?
  • Habe ich noch berufliche Pläne oder Projekte? Interessiere ich mich wirklich noch für meine Arbeit, oder habe ich bereits Ausstiegsgedanken?

Viele der Bedingungen, unter denen Therapeuten ihre Tätigkeit ausüben, sind kaum zu beeinflussen. Dennoch kann es eine wichtige Hilfe sein, unsere Haltung und unser Verhalten so zu verändern, dass es eine positive Rückwirkung hat und wir wieder mit Freude und Energie unsere Tätigkeit ausüben.

Wie kann ich Selbstfürsorge lernen und wo/wie finde ich Unterstützung?

Professionelle Selbstfürsorge kann in Einzel- und Gruppenselbsterfahrung und -supervision stattfinden. Methoden der professionellen Selbstfürsorge sind zum Beispiel:

  • Balintgruppen
  • Selbstfürsorge – Seminare
  • Seminare in emotionaler und psychosozialer Kompetenz
  • Glücksseminare
  • Gruppen- oder Einzelselbsterfahrung
  • Tiefenpsychologische Einzelselbsterfahrung
  • Supervision einzeln und in Gruppen
  • Psychosomatische Grundversorgung

Welche Auswirkungen kann es für Patienten und Klienten haben, wenn professionelle Helfer*innen die Selbstfürsorge vernachlässigen?

Therapeuten sollten sich stets bewusst sein, dass sich ihr körperlicher und mentaler Gesundheitszustand auf ihre Fähigkeit auswirkt, anderen zu helfen. Mit anderen Worten: wir tragen Verantwortung, sowohl für uns selbst, als auch für andere! Die Therapeuten Jeffrey Barnett und Natalie Cooper vom Loyola College für Psychologen und Psychotherapeuten fordern sogar mehr Aufmerksamkeit, Bewusstsein, sowie persönliches und institutionelles Engagement für die Selbstfürsorge und fordern, dass Selbstfürsorge von Anfang an gelehrt und gelernt werden und fester Bestandteil in Ausbildungsprogrammen und Supervisionen sein sollte. Ausbildungs- und Weiterbildungsinstitutionen, Supervisoren, Mentoren und Berufsverbände sollten eine „Kultur der Selbstfürsorge“ pflegen, angehende und ausgebildete Psychologen und Psychotherapeuten, Heilpraktiker (Psychotherapie) auf berufliche und persönliche Risiken der Berufsausübung hinweisen sowie konstruktive Herangehensweisen zum Bearbeiten und Lösen von herausfordernden Situationen vermitteln.

Selbstfürsorge als Burnout-Prophylaxe

Auf diese Weise werden Psychologen und Psychotherapeuten mit dem Wissen und der Fähigkeit ausgestattet, wie sie bestmöglich ihre psychische und mentale Gesundheit in allen möglichen Herausforderungen des Berufslebens erhalten können. Psychologen und Therapeuten sollten sich zudem bewusst machen, dass sie die gleichen Probleme haben wie andere Leute auch und nicht „immun“ dagegen sind. Werden die Probleme jedoch verdrängt, ignoriert oder nicht gelöst, können sie sich negativ aufs Berufsleben auswirken. Aktive, ständige Selbstfürsorge kann dabei helfen, die berufliche Leistungsfähigkeit zu erhalten, die Lebensqualität zu verbessern und schädigende Einflüsse, Stress und Burnout langfristig zu verhindern.

Vermeidungsverhalten und Ausreden ….ich habe keine Zeit…….das kostet doch nur Kraft……. als Hindernisse bei der Selbstfürsorge

Dieses Argument haben wir doch bestimmt schon des Öfteren bei Klienten gehört, die wir mit der Notwendigkeit konfrontieren, etwas an ihren festgefahrenen Denk- und Verhaltensweisen zu verändern. Selbst dann, wenn der aktuelle Zustand sehr belastend ist und der Klient leidet. Wir haben glücklicherweise gelernt, Klienten in einem solchen Fall nicht vorschnell zu be- oder, schlimmstenfalls zu verurteilen. Wenn wir Klienten gegenüber nicht so reagieren, sollten wir auch nicht bei uns selbst vorschnell aufgeben. Es ist hilfreicher solche Bedenken abzubauen und unsere Selbstwirksamkeitserwartung mit der Zeit steigern, Das Ziel ist, uns den Problemen zu stellen und nach Mitteln zu suchen, um Abhilfe zu schaffen.

….ich darf nicht egoistisch sein und mich in den Mittelpunkt stellen…….

Als egoistisch bezeichnen wir Verhaltensweisen, die durch das Ziel motiviert sind, ausschließlich zum eigenen Vorteil zu handeln, ohne Rücksicht auf die Folgen, die sich daraus für andere ergeben. Aus Sicht des Therapeuten ist eine solche Haltung inakzeptabel, da der Auftrag ist, dem Patienten zu helfen. Mit Selbstfürsorge ist aber nicht egoistisches Verhalten gemeint. Maßnahmen zur Selbstfürsorge sind allein schon deshalb notwendig, um Selbstentfremdung zu vermeiden. Der Versuch darauf zu verzichten, hat sich als Illusion erwiesen und kann sich auf Therapeuten und Klienten negativ auswirken.

….ich habe alles im Griff…….

Wenn dem so ist – ist alles gut und perfekt! Am stärksten gefährdet sind Therapeuten, die sich ihrer Belastung nicht mehr bewusst sind. Hier scheint ein körperliches und psychisches sich-selbst-fühlen zu fehlen, das Belastungssignale angemessen anzeigt. Entsprechend sind Maßnahmen für eine Korrektur sehr schwierig. Wer nicht fühlt, fühlt sich auch nicht überfordert und kann nichts gegen die Belastung tun. Ein solches Ignorieren oder Verdrängen der eigenen Befindlichkeit kann, Untersuchungen zufolge, mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden sein und zu gesundheitlichen Folgeschäden, besonders des Herz-Kreislaufsystems, führen.

Wann mit der Selbstfürsorge anfangen

All diese Ausführungen zeigen wie wichtig es ist , für uns selbst gut zu sorgen. Es ist wichtig für unsere Arbeit, unsere Klienten und ganz besonders für uns und unser seelisches und körperliches Wohlbefinden. Nur wenn es uns gut geht sind wir in der Lage zu Helfen und zu Geben und für andere da zu sein.

Autorin: Doris Anna Zahn

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