Was ist eigentlich Intervision? Grob versteht man hierunter die gemeinsame kollegiale Beratung unter beruflich Gleichgestellten. Menschen treffen sich und betrachten gemeinsam ein bestimmtes Problem, das einer ihrer Teilnehmer eingebracht hat (der „Fallgeber“). Die Grundidee besteht darin, dass außenstehende Menschen den Beitrag einer Person an ihrem persönlichen Problem meist schnell erkennen, während die betroffene Person ihren eigenen Beitrag oft ausblendet bzw. gar nicht bemerkt – der typische blinde Fleck. In der Intervisionsgruppe wird ohne Unterstützung durch eine externe Fachperson zusammen nach gemeinsamen Lösungen für dieses konkrete Problem gesucht. Durch kritisches, aber wertschätzendes Feedback können die Teilnehmer dieser Gruppe neue Sichtweisen auf das Problem aufzeigen und somit gemeinsam neue Lösungsansätze entwickeln. Hieraus ergeben sich zahlreiche Chancen, aber auch einige Risiken.
Chanchen durch Intervision
- Für den Fallgeber: Oftmals dreht man sich bei dem Unterfangen, ein Problem lösen zu müssen, irgendwann nur noch im Kreis. In die Suche nach einer Lösung kann immer nur das Wissen und die Erfahrung mit eingebracht werden, die der Betroffene schon in sich trägt. Frische Impulse und eine neue Sicht fehlen somit. Durch die gemeinsame Betrachtung werden der eigene Horizont und das eigene Lösungsportfolio erweitert.
- Für die Gruppenmitglieder: Beim gemeinsamen Betrachten der Problemsituation bringt man seine eigenen Lösungsalternativen ein, lernt aber auch die Vorschläge der anderen Teilnehmer kennen und erweitert somit seine Perspektive und sein Handlungsportfolio. Jeder kann vom anderen lernen!
- Für alle:
- Durch den persönlichen Austausch wird der Auf- und Ausbau des eigenen beruflichen Netzwerks gefördert.
- Durch den gemeinsamen Austausch verbessert sich die zukünftige Arbeitsqualität jedes Einzelnen.
- Die Intervision ist ein wichtiges Tool zur Psychohygiene und zur Vorbeugung von beruflichen Belastungen.
- Es handelt sich um eine einfache, kostengünstige und praxisbezogene Methode zur Unterstützung in einem Problemfall, denn es fallen keine Kosten für zum Beispiel einen externen Berater oder Coach an.
Risiken durch Intervision
- Möglicherweise ist der Fallgeber nicht offen für kollegiale Vorschläge und neue Sichtweisen, was dazu führen kann, dass er sich kritisiert fühlt. Eine Widerstandsanalyse an dieser Stelle bietet aber auch die Chance, sich selbst besser verstehen zu lernen.
- Aufgrund der Tatsache, dass eine Intervisionsgruppe aus mehreren (mindestens jedoch 3) Personen besteht, ist diese Vorgehensweise bei akuten Problemen und Fragestellungen kurzfristig gegebenenfalls nur schwer zu realisieren, da alle Personen zu einem bestimmten Termin zur Verfügung stehen müssen.
- Das eingebrachte Problem oder die zu lösende kritische Situation übersteigt unter Umständen das Wissen und die Zeit der Intervisionsgruppe, so dass die Sitzungen nicht zum gewünschten Erfolg führen. Ohne entsprechende Reflexion, warum die Gruppe im jeweiligen Fall „gescheitert“ ist, kann die Sinnhaftigkeit von künftigen Intervisionssitzungen in Frage gestellt werden.
- Diese Methode ist in der Regel nicht geeignet für private und persönliche Probleme, außer es besteht ein außergewöhnlich vertrauensvoller Umgang untereinander.
Wenn man sich jetzt entscheidet, eine Intervisionsgruppe ins Leben zu rufen, gibt es einige Dinge zu beachten, damit dies auch erfolgreich gelingt.
Eine Intervisionsgruppe für Heilpraktiker (Psychotherapie), Berater, Coaches zusammenstellen
- Eine Intervisionsgruppe sollte aus mindestens drei und maximal 8 Personen bestehen. Der Teilnehmerkreis sollte idealerweise fest sein und die Teilnehmer nicht wechseln.
- Unter den Teilnehmern sollte unbedingtes Vertrauen herrschen. Außerdem muss der Einzelne in der Lage sein, wertschätzend mit den anderen Gruppenmitgliedern umzugehen.
- Von Vorteil ist, wenn die Gruppenmitglieder über unterschiedliches Know-how verfügen. Auf diese Weise gelangt der Fallgeber zu neuen Einsichten aus verschiedenen Perspektiven und lernt ungewohnte Sichtweisen kennen. Dies gelingt eher nicht, wenn alle Teilnehmer einen ähnlichen Wissensstand haben. Auch kann jemand, der überhaupt nicht aus dem Metier der Intervisionsgruppe stammt, hilfreich sein, weil er nicht „betriebsblind“ bzw. „themenblind“ ist.
Verschiedene Rollen in einer Intervisionsgruppe
- Moderator
- Er führt durch die Intervision und stellt die Einhaltung der vereinbarten Vorgehensweise und Regeln und das Zeitmanagement sicher.
- Er achtet auf einen respektvollen Umgang miteinander und eine emphatische Herangehensweise.
- Die Rolle wird von einem Gruppenmitglied übernommen.
- Für jeden eingebrachten Fall wird ein neuer Moderator ernannt.
- Fallgeber
- Der Fallgeber bringt einen Fall in die Gruppe ein und beschreibt ihn möglichst plastisch und konkret.
- Er äußert Gedanken, Gefühle, körperliche Reaktionen, die der Fall bei ihm ausgelöst haben.
- Er äußert seine Erwartungen an sich und an die Gruppe und formuliert eine konkrete Ausgangsfragestellung.
- Beratungsteam
- … hört zu
- … fragt nach
- … bearbeitet das Anliegen
- … macht Lösungsvorschläge
Wie arbeitet eine Intervisionsgruppe?
Für einen erfolgreichen Ablauf einigt sich das Team auf bestimmte Rahmenbedingungen, nämlich:
- Alles Gesprochene bleibt im Raum (Vertraulichkeitsregelung).
- Alle Teilnehmer erklären sich mit der gemeinsamen Vorgehensweise / Methode einverstanden.
- Auch bestimmte Gesprächs- und Kommunikationsgrundsätze werden vereinbart.
Ein strukturierter Ablauf kann wie folgt aussehen:
- Im Vorfeld oder zu Beginn eines Treffens wird geklärt, wer einen Fall zur Besprechung einbringen möchte (= Fallgeber).
- Der Fallgeber schildert seinen Fall (Fallschilderung) und formuliert eine Ausgangsfragestellung.
- Pro Fall sollte man genügend Zeit einplanen, empfehlenswert ist etwa eine Stunde. Hierdurch kann auf das individuelle Anliegen in der Regel ausreichend eingegangen werden und man gerät nicht in Zeitnot.
- Nach den Ausführungen des Fallgebers erfolgt die kollegiale Beratung, d.h. die anderen Gruppenmitglieder haben die Möglichkeit, für ein besseres Verständnis beim Fallgeber nachzufragen.
- Gemeinsam werden Lösungsansätze entwickelt.
- Im Anschluss werden mit dem Fallgeber nächste Schritte erarbeitet, die er in die Praxis prüfen kann.
- Der Fallgeber wird zum Abschluss gefragt, ob das Ergebnis der Gruppenarbeit für ihn hilfreich war oder ob er noch etwas braucht.
- Im Anschluss kann ggfs. noch ein weiterer Fall eines anderen Teilnehmers besprochen werden.
Organisatorisches rund um eine Intervisionsgruppe
- Im Vorfeld müssen Räumlichkeiten für einen vertrauensvollen Austausch gefunden und für die kommenden Treffen sichergestellt werden.
- Auch die Frequenz (z.B. alle sechs Wochen) und die Dauer eines Treffens (empfehlenswert ist eine bis drei Stunden) sollten im Vorfeld festgelegt werden.
Autorin: Britta Zernetsch
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