Heilpraktiker wird abgeschafft! Das würden einige (wenige) gerne in der Zeitung lesen…

Heilpraktiker wird abgeschafft?

Inhalt

Nun endlich ist es da, das Rechtsgutachten, das vom BMG (Bundesministerium für Gesundheit) beauftragt wurde, verfasst von Prof. Dr. Christof Stock. Was viele mit Hoffen und Bangen erwarteten und von vielen Gerüchten begleitet wurde, steht jetzt Schwarz auf Weiß. Bereits Ende 2020 wurde das Rechtsgutachten erwartet und dann (bedingt durch Covid19) weiter nach 2021 verschoben. Doch wie kam es zu alledem und wie ist die „Rechtsverunsicherung“ eigentlich eingetreten?

Ist der Heilpraktiker eine Gefahr für die Volksgesundheit?

Immer mal wieder stand der Heilpraktikerberuf (in jüngerer Vergangenheit) im Zentrum der öffentlichen (negativen) Berichterstattung. 2018 gab der Behandlungsfehler eines (Natur-) Heilpraktikers den Anlass. Zum Hintergrund: Im sogenannten „Brüggen-Bracht“-Fall hatte ein Heilpraktiker aus NRW Krebspatienten falsch behandelt, so dass es zu Todesfällen kam. Hier kam es bereits zu einer Verurteilung durch das Landgericht Krefeld und im Vorfeld zu der Forderung verschiedener (Ärzte-) kreise, den Heilpraktiker kritisch zu überprüfen oder gar abzuschaffen. Nach längerem Zögern hat der BGM (Jens Spahn) ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die aktuelle Rechtslage rund um den Heilpraktikerberuf zu erörtern. Neben vielen anderen Fragestellungen gab es hierbei auch die Frage: Kann der Heilpraktikerberuf zukünftig entfallen?

Und, wie geht´s? Ach, immer so weiter…

Aus meiner Sicht haben sich Teile der Heilpraktikerschaft lange in einem „Dornröschenschlaf“ befunden: Alles ging irgendwie „immer so weiter“. Einige Kolleginnen und Kollegen waren oder sind in Verbänden organisiert. Aber was „die da oben“ vor sich hin wurschteln, wurde oftmals nur „peripher“ wahrgenommen. Spätestens seit der Beauftragung des Rechtsgutachtens (durch das BGM) ist aber für viele die Wahrnehmung des Heilpraktikers (auch durch vielerlei Nachrichten und Diskussionen) in der Öffentlichkeit noch einmal anders geworden. Nicht selten wurde oder werde ich gefragt: „Droht dem Heilpraktiker die Abschaffung? Wie lange gibt es noch den Heilpraktiker? Kann ich jetzt den Heilpraktiker noch machen?“. An den Fragen wird deutlich, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung von (angehenden) Kollegen viele Fragezeichen gibt.

Das Rechtsgutachten – ein Geschenk an die Heilpraktikerschaft?

Von Seiten der vielfältigen Heilpraktikerverbände wurde sich zusammengetan und die Expertisen gebündelt. Dazu wurde ein eigenständiges „Gutachten zum Heilpraktikerrecht“ von einem sehr bekannten Fachanwalt im Medizinrecht mit Schwerpunkt im Heilpraktikerwesen, RA Sasse, erstellt und veröffentlicht. Dieses wurde von vielen Berufsverbänden, Heilpraktikerschulen und auch Heilpraktikern (ideell und finanziell) mitgetragen und wird als eigenständiges Gutachten der Heilpraktikerschaft zusätzlich (bzw. als Gegenpol) zu dem des BMG verstanden. Daneben wurden (unabhängig der Gutachtenerstellung) wichtige Daten zur Patientensicherheit bei Heilbehandlungen zusammengestellt und aufbereitet. Im Rechtsgutachten des BMG wurden gemäß der in Auftrag gegebenen Fragestellungen eine Vielzahl von Fragen bzw. Positionen behandelt. Neben einer Bestandsaufnahme war das (übergeordnete) Ziel, die relevanten Rechtsgebiete rund um das Heilpraktikerwesen zu beleuchten. Dazu gehören die rechtliche Grundlage gemäß Verfassungsrecht, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Patientenschutz), das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf Berufsfreiheit.

Könnte das Rechtsgutachten eine Art „Aufbruchstimmung“ sein und für viele Positionen des Heilpraktikerwesens Klarheit bringen? Ist es eine große Chance für die Heilpraktikerschaft, den Heilpraktikerberuf auf klare(re), definierte(re) Rechtsgrundlagen zu stellen und zukünftig auch vor willkürlichen Angriffen anderer Gruppierungen oder Kreise zu schützen?

Die Abschaffung des Heilpraktikers …

… ist zum Glück nicht so „ohne Weiteres“ möglich. Dies lässt sich auch aus dem vorliegenden Rechtsgutachten lesen. Neben der Freiheit der Berufsausübung spricht, so das Rechtsgutachten, kein verfassungsrechtlich offensichtlicher Grund für eine Abschaffung, der durch Fakten belegbar wäre. So gehen vom Berufsstand der Heilpraktiker*innen keine schweren, offensichtlichen oder anzunehmenden Gefahren aus und das Fehlverhalten Einzelner kann nicht die Abschaffung eines Berufsstandes als Solches rechtfertigen. Außerdem wäre eine solche Streichung des Heilpraktikers ein erheblicher Eingriff in die Freiheit derjenigen Personen, die diesen aufsuchen und dort Hilfe erhalten.

Ein neues Heilpraktikergesetz?

Das vorliegende Gutachten ist jetzt erst einmal eine neue Diskussionsgrundlage für den Gesetzgeber. Hier muss sich im Weiteren zeigen, welche politischen Parteien in der nächsten Legislaturperiode ab Herbst 2021 die Gesetzgebung beeinflussen. Unwahrscheinlich ist, dass vorher dieses komplexe Thema aufgegriffen bzw. konkret angegangen wird. Festzuhalten bleibt: (starke Heilpraktiker-) Verbände sind wichtiger denn je für die politische Lobbyarbeit. Die Erfahrung zeigt: Menschen, die berufsrechtlich (berufsständisch) nach außen nicht vertreten werden, sind für politische Entscheidungsträger nicht wahrnehmbar (und damit oft nicht wichtig). So geben starke Verbände wichtige Impulse zu einer positiven, zukünftigen Ausgestaltung unseres Berufsstandes, in dem es zur Zeit wahrlich um mehr geht als die Größe eines Praxisschildes. Verbände können politische Gremienarbeit dann machen, wenn sie mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet sind. Ich würde mir wünschen, dass von Seiten der HP-Verbände hier noch mehr Aufklärungsarbeit gemacht würde.

Welcher Heilpraktiker Verband soll es denn nun sein?

Und wir dürfen überlegen, welchem Verband wir unsere “Stimme” geben und unser Vertrauen schenken wollen. Dazu sind Verbände immer dankbar für Menschen, die sich über den Mitgliedsbeitrag hinaus aktiv in Fachgruppen und Gremienarbeit einbringen. Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen konnten sich über diese Arbeit als Experten für ihr spezielles Thema positionieren und wurden so für ihr Fachfeld wahrgenommen. Trotz aller Nützlichkeit einer Verbandszugehörigkeit halte ich es aber auch für wichtig, diese in die Pflicht zu nehmen, nachzufragen und auch seinen Unmut kund zu Tun, wenn etwas nicht gut gelaufen ist oder sich Unzufriedenheit breit macht. Überall arbeiten nur Menschen.

Ich selbst bin in mehreren Verbänden aktiv und habe hier (bis jetzt und weiterhin), persönlich und fachlich stark profitiert, alleine von den vielen interessanten Menschen, die ich dadurch kennenlerne.

Wenn Menschen sich zusammentun…

Zum Abschluss vielleicht noch ein (Gedanken-) Beispiel zum Thema Interessenvertretung: In Deutschland gibt es knapp 4 Millionen Hartz-IV- Empfänger (Quelle: Statista). Diese Menschen sind nicht organisiert und haben in der Gesellschaft(-spolitik) keine “Lobby”… Mit anderen Worten: Es wird über sie “entschieden” (obwohl es so viele Menschen sind) und in meiner Wahrnehmung, wird hier “Mangel verwaltet”. Wie anders wäre es (wahrscheinlich*er), wenn 2 Millionen Leistungsempfänger lediglich fünf Euro pro Jahr (= 10 Millionen Euro Jahresetat allein aus Mitgliedsbeiträgen) in eine Verbandsgründung investieren würden, um ihre Interessen (Menschenwürde, Austausch, Kontakt, Netzwerk, gegenseitige Hilfe, Unterstützung, Förderung, Communities, etc.) wahrzunehmen und dadurch ihre eigene Position selbst verbessern könnten? Ich habe keine Antwort darauf, es ist nur ein Gedankenspiel… ????.

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9 Kommentare

  • Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

  • Zum Thema “schwarze Schafe” unter den Heilpraktikern: Hat schon jemals eine Person oder Interessengemeinschaft die Forderung erhoben, Ärzte abzuschaffen, weil dort einige wenige ihr Handwerk nicht verstehen?

    • A

      Hallo Marion,

      ja, das ist eine gute Eingabe und wäre genauso an den Haaren herbeigezogen,
      wie die Abschaffung des Heilpraktikers aufgrund des Fehlverhaltens einzelner.

  • Michael Del Grosso

    Lieber Peter, Danke für die Aufbereitung der aktuellen Entwicklung zum Thema. Deine Kommentare erzeugen bei mir den Gedanken, dass es sich weiterhin lohnen wird den Weg zum HPP zu beschreiten und sich auch weiterhin in diesem Berufsfeld für andere Menschen zu engagieren. LG Michael

    • A

      Lieber Michael,

      davon bin ich überzeugt. Auch davon, dass neben einer guten Ausbildung in diesem Bereich
      die eigene Lebenserfahrung ein wichtiger Teil eines guten Therapeuten ausmacht.

  • Ich würde IMMER noch die Ausbildung zum HPP beim Peter machen.

    Dass das mal klar ist!

  • Vor einigen Jahren erhielt eine Freundin die Diagnose Brustkrebs. Ihre Angst vor dem Krebs war weniger groß als die Angst in die *schulmedizinische Mühle* mit Chemotherapie, OP, Bestrahlung zu geraten. Sie suchte eine Allgemeinmedizinerin auf, die sich als *Krebsärztin* bezeichnete und sie mit Globuli, Tropfen und unklaren Ernährungstipps (keine Kohlehydrate! Aber was sie essen sollte, erfuhr meine Freundin nicht) *behandelte*. Der Tumor – gut abgegrenzt und bei Entdeckung noch in situ, also ohne Metastasen – wurde nicht entfernt (die Patientin konnte niemanden finden, der das ohne die Anwendung des gesamten Standardverfahrens machen wollte). Die *Behandlung* zog sich über Monate, meine Freundin hielt sich an die Anweisungen ihrer Ärztin, nahm Kügelchen und aß fast nichts mehr. Sie magerte ab, wurde immer schwächer, der Tumor wuchs und streute in die Leber. Meine Freundin war ganz allein mit ihrer Schwäche und dem verkrebsten, Körper. Nachdem ihre Ersparnisse aufgebraucht waren, hörte sie nichts mehr von ihrer *Krebsärztin*. Sie erhielt dann noch Bestrahlungen, wobei man ihr die Speiseröhre verbrannte, so dass sie innerhalb kurzer Zeit an Auszehrung verstarb. Immerhin hatte sie es noch auf eine Palliativ-Station geschafft, wo man ihr die Schmerzen weitgehend nehmen konnte.
    Wäre diese *Krebsärztin* ein/e HeilpraktikerIn gewesen – der Aufschrei hätte Wellen geschlagen. Aber eine schulmedizinische Ausbildung und der Doktortitel schützen solches Tun. Wenn Krebspatienten im Krankenhaus sterben, ist das Normalität. Die Überlebenden schreibt man sich auf die Haben-Seite. Meine Freundin hatte nach mehreren schlechten Erfahrungen mit der sog. Schulmedizin so sehr das Vertrauen verloren, dass alles Zureden sie nicht überzeugen konnte, diesen Weg zu gehen.
    Die Geschichte dieser Freundin macht mich noch immer traurig aber auch zornig, weil sie so symptomatisch ist für unseren Umgang mit Krankheit. Als Masseurin sehe und spreche ich andauernd Menschen, die mit ihren Symptomen in der *normalen medizinischen Landschaft* entweder auflaufen oder sogleich in Richtung OP-Tisch geschoben werden. Sie bemühen sich um eine Lösung für ihre Problematik, suchen Hilfe und finden sich in einem Räderwerk wieder, in dem man *verarbeitet* wird und oft das Gefühl bekommt, unterzugehen. (zB gibts eine Reha nur dann ohne Kampf, wenn man sich operieren lässt. *Konservativ* gesund werden, das sollen die Patienten bitte ohne Unterstützung.)
    Ich habe es satt, dass Behandlungs- und Kunstfehler abgenickt und beiseite geschoben werden, wenn der Behandler Arzt ist, während sämtliche Alternativen praktisch unter Generalverdacht stehen.
    Unser Gesundheitssystem ist inzwischen so krank, dass alle die damit in Berührung kommen, Gefahr laufen geschädigt zu werden: Pflegekräfte, ÄrztInnen, Patienten – alle leiden.
    Und anstatt die Probleme anzugehen, Medizin menschlicher zu machen, Vertrauen zu bilden, bekämpft man die Alternativen – Heilmethoden wie Behandler: Die Homöopathie muss weg, die Heilpraktiker müssen weg, etc. Als ob dieses kranke System besser würde, wenn man die *Konkurrenz* aus dem Weg schafft.
    Unsere Entscheidungsträger haben nichts verstanden!

    • A

      Hallo Chris,

      vielen Dank für deinen sehr persönlichen Bericht, der mich sehr betroffen macht.

      Wenn ich zu meinem Hausarzt gehe, was eher selten vorkommt, sage ich oft:
      “Der beste Arzt ist der, den man nicht braucht”. Darüber müssen wir dann beide schmumzeln.

      Damit will ich keinesfalls den Berufsstand in Frage stellen, sondern würde mir wünschen, dass wir zu einer Medizin kommen, in der statt Krankheit, Gesundheit “bezahlt” wird. Der Arzt (Gesundheitsdienstleister, etc.) bekommt die größte Vergütung, der die gesündesten Patienten hat da er die Menschen aufklären kann über positive Verhaltensgewohnheiten, hilfreiche Unterstützungszirkel (Förderung von Gemeinschaft und Austausch) und wirksame Therapien. So ist der Fokus auf etwas ganz anderes ausgerichtet (nämlich auf Prävention und Aufklärung).

      “Das ist das System”, ist dann immer seine Antwort. Ich frage mich, wie lange können wir uns dieses (System) noch leisten? Ich habe keine Antwort darauf…

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