“Ich wollte schon immer was mit Menschen machen, schließlich bin ich schon seit Jahren die Mülltonne der Abteilung… “Bei familiären Problemen habe ich schon ganz viel helfen können, bei meinem verkorksten Familiensystem übernehme ich immer gerne Verantwortung für Andere”… Seit Jahren berate ich schon Freunde und Freundinnen, da ist für mich der nächste Schritt doch ganz klar”.
Kennst Du solche Aussagen von Dir oder von Anderen? Was lösen sie in Dir aus? Kennst Du Menschen, die dem Beruf als Heilpraktiker*in Psychotherapie kritisch gegenüberstehen? In diesem Artikel möchte ich Dir zeigen, welcher Unterschied zwischen einer “laienhaften Betrachtung” von Psychotherapie und einer professionellen Dienstleistung besteht. Du interessierst Dich für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Berufsbild als Heilpraktiker*in Psychotherapie und/oder möchtest Dich vielleicht ganz neu in dieses hineinentwickeln? Dann lies weiter und erfahre, welche Schritte es (mit bestimmt vielen anderen) auf persönlicher Ebene für eine professionelle Haltung in diesem Beruf braucht.
Irgendwas mit Menschen …
Du bist gelangweilt, genervt und angeödet von Deinem “Bürojob”? Und bekannt als “Abteilungsplaudertasche”? Wenn Du sowieso der Fußabtreter für andere bist, warum nicht aus der Not eine Tugend machen? 😉 Vielleicht übertreibe ich, möglicherweise hast Du Dich aber auch (ein kleines bisschen) wiedererkannt. Nicht selten kann eine “gelangweilte” Berufsbiografie den Wunsch wecken, mal was ganz anderes zu machen, die eigenen Grenzen zu sprengen und nochmal richtig durchzustarten. Einfach mal ausbrechen! All diese Wünsche sind mehr als verständlich. Nicht selten sind wir als Jugendliche oder junge Erwachsene in einen Beruf gegangen (worden), der damals im besten Falle richtig war. Sich verändernde Lebens- und Arbeitsbedingungen haben in den letzten Jahrzehnten zu einem nie dagewesenen Innovationsschub gesorgt. Insbesondere die Etablierung des Internets in den 1990er Jahren hat unser Leben und Arbeiten im wahrsten Sinne revolutioniert. So arbeiten wir heute viel mehr als damals in “digitalisierten Räumen” und das Zwischenmenschliche spielt eine weitaus untergeordnetere Rolle. Da wäre es doch ein Leichtes, jetzt endlich mal den eigenen Traum wahr werden zu lassen? Du hast es Dir verdient, oder?
Arbeit als professionelle Beziehungsgestalter*innen
Die Arbeit als Heilpraktiker*in Psychotherapie ist allerdings mehr als nur “eben mal mit Menschen quatschen”. Sie setzt den Willen und die Kompetenz voraus, Menschen und ihrer Lebenssituation wirklich begegnen zu wollen. So können auch “schwere Themen” ein Teil der Therapie sein, die uns als Therapeut*innen auch berühren (dürfen). Damit wir auch in die Tiefen der menschlichen Existenz gehen können, sollten wir auch unsere eigenen “Untiefen” kennen. Niemand hat sich seine Herkunft und Biografie ausgesucht oder kann etwas dafür, in welche Umstände oder Systeme er geboren wurde. Allerdings haben wir (meistens) eine Wahl, wie wir mit diesen Dingen umgehen oder was wir aus ihnen machen wollen. Die Selbsterfahrung als Heilpraktiker*in Psychotherapie sollte ein wichtiger Bestandteil Deines Wirkens sein, um Dich immer besser selbst kennenzulernen und auch einen konstruktiven Umgang mit Erlebtem finden zu können. Dabei ist unser Leben kein “linearer Prozess”, sondern wir werden systemisch von vielem “um uns herum” beeinflusst und dürfen so schauen, dass wir stets gut auch in Beziehung mit uns selbst sind und einen positiven Umgang mit den jeweils auftretenden Lebensfragen zumindest anstreben.
So ein bisschen Therapieren könnte ich mir gut vorstellen, auch im Rentenalter…
Vielleicht bist Du auch schon in Sichtweise eines möglichen Ruhestandes und suchst nach einem Weg zu einer sinnvollen Betätigung? So ein “bisschen Plaudern” geht doch immer… Als Ratgeber warst Du doch schon als Führungskraft mehr als gefragt und konntest immer schon gute Ratschläge geben, oder? Ich erlebe es in meiner Beratungs- und Heilpraxis immer wieder einmal, dass Menschen die Vorstellung haben, ich würde als Ratgeber den “großen Therapeuten” geben und endlich sagen, wie der Hase (die Häsin…) zu laufen hat. Denkst Du auch, das macht eine gute Therapie aus, sagen zu können wo es langgeht?
Hilfesuchenden auf Augenhöhe begegnen können
Menschen, die belastet sind, haben meist einen sehr zerbrechlichen Selbstwert. Die Erfahrung, das eigene Leben nicht selbstverantwortlich gestalten zu können und Hilfe zu benötigen, ist für viele Menschen mit Scham besetzt. So sind hier “platte Ratschläge” fehl am Platz. Vielleicht haben sie sogar dazu geführt, dass Menschen Unterstützung brauchen, weil sie vor lauter (gut gemeinten) Ratschlägen von Außen sich selbst nicht (mehr) kennen, vielleicht sogar nie gekannt haben. “Erwartungsdruck” durch andere kann diesen Umstand noch weiter verstärken. So sind wir gut beraten, unseren Klient*innen mit einem positiven, unterstützenden (humanistischen) Menschenbild zu begegnen.
Ich komme immer schon gut mit Menschen klar, da könnte ich das doch eigentlich auch beruflich machen…
Kommst Du wirklich gut mit Menschen klar oder glaubst Du dies? Gab es für Dich im Privat- oder Berufsleben schon einmal die Möglichkeit, (wirkliches) Feedback zu bekommen, vielleicht auch zu ganz gezielten Fragen Deine Person betreffend? Unser Selbstbild formt sich durch unsere Umwelt und die Erfahrungen, die wir in dieser machen (und im besten Falle reflektieren können). Dazu gehört es auch, eigene Anteile (an Problemen und Lösungen) gleichermaßen erkennen zu können.
Managment von Selbst- und Fremdbild als Weg
Das Management von Selbst- und Fremdbild bezieht sich auf die Fähigkeit, das eigene Bild (Selbstbild) und die Wahrnehmung durch andere (Fremdbild) bewusst zu steuern und in Einklang zu bringen. Ein realistisches Selbstbild hilft, Stärken und Schwächen zu erkennen, während das Fremdbild die externe Wahrnehmung reflektiert. Diskrepanzen zwischen beiden können zu Missverständnissen und Konflikten führen. Effektives Management beinhaltet Selbstreflexion, Feedback-Annahme und kontinuierliche Anpassung. Ein kritisches Selbstbild kann zu persönlicher und fachlicher Weiterentwicklung beitragen. So entsteht ein authentisches und kohärentes Gesamtbild.
Ängste habe ich früher auch immer gehabt, jetzt zeige ich (meinen Patient*innen) wie es (richtig) geht
Diese Art und Weise spiegelt häufig die klassische “Ratgeberpersönlichkeit” wieder, die weiß, was richtig ist und wie es läuft. Diese Haltung kann schnell dazu führen, dass wir glauben Menschen und deren Probleme wirklich (wirklich wirklich) zu kennen. Können wir das wirklich sagen? Ist es uns wirklich möglich, die Feinheiten von Erlebtem Leben von Anderen Menschen wirklich zu verstehen oder glauben wir dies nur? Vielleicht erkennen wir in dem Gesagten nur unser Eigenes und glauben, dem Anderen geht es genauso wie es uns einmal ergangen ist (Schublade auf – Schublade zu)?
Schubladendenken und “Verallgemeinerungen” vermeiden
Die Erfahrung zeigt, dass Menschen vielfältige Biografien haben und ein “Überstülpen” von eigenen (Therapeut*innen-) Wahrheiten nicht wirklich hilfreich ist. Schubladendenken im Bereich der Psychotherapie bezeichnet eine Tendenz von Therapeut*innen, Menschen vorschnell in vorgefertigte Kategorien oder Diagnosen einzuordnen. Dies kann dazu führen, dass individuelle Unterschiede und spezifische Bedürfnisse von Patient*innen übersehen werden. Statt auf die einzigartigen Merkmale und die persönliche Geschichte von Menschen einzugehen, werden diese aufgrund von Stereotypen oder vorgefassten Meinungen beurteilt. Supervision und Intervision können helfen, den eigenen Horizont beständig zu erweitern und offen zu bleiben für die Frage: Welche Wirklichkeit ist die, die Patient*innen weiterhilft?
Doch Hausfrauentherapie?
Dich hat der Titel “Hausfrauentherapie” (natürlich auch “Hausmännertherapie” ;-), angesprochen? Das freut mich, denn ich wollte in diesem Artikel bewusst polarisieren und auf die große Verantwortung eingehen, die Heilpraktiker*innen Psychotherapie gegenüber ihren Patient*innen haben. Diese Verantwortung tragen übrigens alle, die sich professionell um die Weiterentwicklung von Menschen in Coaching, Beratung und Therapie kümmern. Nicht zuletzt arbeiten Heilpraktiker*innen Psychotherapie im Rahmen der Sorgfaltspflicht und sie verstehen sich selbst auch als ihr wichtigstes Werkzeug, das es beständig zu pflegen und weiterzuentwickeln gilt.
2 Kommentare
Peter Reitz
Hallo Herr Krüger, vielen Dank für Ihre Einschätzung.
Christoph Krüger
Hallo,
ich finde Ihren Beitrag sehr gut, da er recht genau – vielleicht etwas zugespitzt – die Ansicht mancher HPP-Anwärter ausspicht, “mal eben schnell etwas Therapie zu machen”.
Ich führe seit 3 Jahren eine HPP Praxis im Vollerwerb und kann davon gut leben. Es bedarf jedoch vieler Therapie-Ausbildungen, einer großen Portion Selbstreflexion und Kritikfähigkeit, in diesem schönen, aber anspruchsvollen und verantwortungsvollen Beruf seine “Erfüllung” zu finden. Bitte bleiben Sie kritisch und ehrlich und teilen Sie ihren HPP-Schülern mit, dass wir im Grunde die gleiche Arbeit wie ein Psychotherapeut machen, aber eben HPP heißen. Danke für Ihren Beitrag,
liebe Grüße
Christoph Krüger