Die Arbeit als Coach oder Therapeut bietet Dir viele Vorteile: Du kannst selbstständig arbeiten, Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung unterstützen und ein erfülltes Berufsleben führen. Doch die Selbstständigkeit birgt auch Herausforderungen, die schnell zur Selbstausbeutung führen können.
Das Thema ist mir nicht fremd und vor einigen Jahren wurde ich zu diesem Aspekt von der Zeitschrift Unicum interviewt. Vielleicht kennst Du das Gefühl, wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen und Du Dich ständig im “Arbeitsmodus” befindest? Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen mit Kolleg*innen, dass dies für viele eine große Herausforderung ist, die nicht selten misslingt. In diesem Artikel möchte ich Dir zeigen, wie es möglich ist, als Coach oder Therapeutin tätig zu sein, ohne dabei Deine Gesundheit und Dein Wohlbefinden zu opfern. Gemeinsam schauen wir uns an, wie Du ein gesundes Gleichgewicht zwischen beruflichem Erfolg und persönlicher Lebensqualität finden kannst. Du möchtest sicher nicht Dein eigener Patient werden, oder?
Die Herausforderungen der Selbstständigkeit: Mehr als nur Freiheit
Viele Kolleg*innen in Coaching und Psychotherapie entscheiden sich bewusst für die Selbstständigkeit, um mehr Freiheit und Flexibilität zu genießen. Doch diese Freiheit hat auch ihre Herausforderungen. Ohne feste Strukturen und Arbeitszeiten besteht die Gefahr, dass die Arbeit Dein gesamtes Leben einnimmt. Vielleicht kennst Du das auch: Du fühlst Dich ständig erreichbar, sei es per E-Mail, Telefon oder auf Social Media. Die ständige Verfügbarkeit erhöht nicht nur den Stresspegel, sondern kann auch dazu führen, dass Du Dich leicht überfordert fühlst.
Dazu kommt, dass viele von uns dazu neigen, zu viele Aufgaben selbst zu übernehmen – von der Kundenakquise über die Buchhaltung bis hin zum Marketing. Das Resultat? Lange Arbeitszeiten, die schnell zur Regel werden und nicht selten weit über die klassische 40-Stunden-Woche hinausgehen.
Warnsignale der Selbstausbeutung: Wie Du erkennst, dass Du Dich überlastest
Selbstausbeutung ist ein schleichender Prozess, und oft merken wir erst, dass wir uns überlasten, wenn es fast schon zu spät ist. Ein typisches Warnsignal ist anhaltende Erschöpfung. Wenn Du abends ins Bett fällst, aber morgens genauso müde aufwachst, oder wenn Du regelmäßig Schlafprobleme, Kopfschmerzen oder ein ständiges Gefühl der Überforderung hast, solltest Du genauer hinsehen. Ein weiteres Anzeichen, das ich seinerzeit selbst erlebt habe, ist der Verlust der Freude an der Arbeit. Wenn Du merkst, dass Du Dich vor Deinen Kliententerminen eher gestresst als motiviert fühlst oder Du ständig gedanklich bei der Arbeit bist, selbst wenn Du eigentlich frei hast, dann ist es Zeit, innezuhalten. Denn was bringt die sinnhafteste Arbeit, wenn damit Dein Leben aus dem Gleichgewicht kommt?
Work-Life-Balance in Coaching und Psychotherapie: Finde Dein Gleichgewicht
Um als Coach*in oder Therapeut*in langfristig gesund und erfolgreich zu bleiben, ist eine ausgewogene Work-Life-Balance unverzichtbar. Ich weiß, wie schwierig das sein kann, besonders wenn Du Deine Arbeit mit Leidenschaft machst. Doch es ist möglich, diesen Ausgleich zu finden. Eine Frage, die ich mir (fast jeden Tag) stelle, lautet: Wenn ich wüsste, dass morgen mein letzter Tag wäre, was wäre mir dann wirklich wichtig gewesen? Diese Reflexion zeigt mir immer wieder, dass mein persönlicher Fokus auf der kostbaren Zeit mit meiner Familie liegt. Was wäre es für Dich?
Überlege, an welchem Ort oder bei welcher Tätigkeit Du am besten abschalten und belastende Gedanken loslassen kannst. Vielleicht sind es Spaziergänge in der Natur, eine entspannende Yoga-Stunde oder ein gemütliches Treffen mit einer vertrauten Person. Diese Balance zwischen Anspannung und Entspannung ist entscheidend, um Deine Inspiration und Deinen Elan zu bewahren und Deine Resilienz, Deine innere Kraft, zu stärken. Gleichzeitig hilft sie Dir, Abstand von belastenden Gedanken zu gewinnen, bevor sie sich anhäufen und Dich ausbremsen. Eine große Erleichterung in meinem Leben vor vielen Jahren war, die Kontakte die nicht zu mir passen “auslaufen” zu lassen. Und gleichzeitig die Menschen oder Gelegenheiten aufzusuchen, die mich stärken und bei denen ich Gutes bewirken und empfangen kann
Zeitmanagement und Prioritäten setzen: Effektiver arbeiten, ohne Dich zu überfordern
Vor vielen Jahren fiel mir ein sehr inspirierendes Buch in die Hände: Die 7 Wege zur Effektivität von Stephen Covey. Ich finde das Buch heute noch anregend und habe es mir zur Gewohnheit gemacht, meinen kommenden Arbeitstag am Vortag (realistisch!) zu planen (das war ein Tipp aus diesem Buch). Dabei priorisiere ich die ToDos, die unbedingt erledigt werden müssen. Bleibt dann noch etwas übrig, könnte ich diese auch zum Beispiel in den nächsten Tag übertragen. War ich tatsächlich sehr schnell gewesen und alle Punkt sind abgearbeitet, beende ich meinen Arbeitstag und freue mich, dass alles so flink war.
Mindset und Resilienz: Die richtige innere Haltung finden
Neben den organisatorischen Aspekten ist die “innere Haltung” wichtig, um sich vor Selbstausbeutung zu schützen. Das Thema “Perfektionismus” kann Menschen nicht nur in den Wahnsinn sondern auch in die Überforderung und Selbstausbeutung treiben. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Perfektion eine Illusion ist und wir unsere “inneren Antreiber” immer mal wieder auf den Prüfstand stellen dürfen, ohne sie gleich zu verteufeln. Mitgefühl für sich selbst und das Kennen der eigenen Bedürfnisse halte ich für einen stets guten “Gegenpol”. Und die Frage: Wenn Du wüsstest, dass morgen Dein letzter Tag wäre, was wäre Dir dann (heute) wirklich wichtig gewesen?
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2 Kommentare
Katharina
Lieber Peter, da kann ich dir nur 100% zustimmen! Ich habe mir mit der Zeit sogar ein 2. Handy geholt. Einer ist jetzt privat und auf anderem habe ich meine Klienten-Kontakte, Social-Media etc. Das letztere lege ich am WE gerne zu Seite und mache es aus.
Ich liebe meine Arbeit sehr, aber ich bin auch keine Notaufnahme, die rund um die Uhr, am Wochenenden und Feiertagen erreichbar sein soll.
Peter Reitz
Hi Katharina, das klingt nach einem guten Learning und auch, dass man die Arbeit die man sehr gerne macht auch begrenzen darf.