Das Dopamin-Dilemma: Warum wir ständig nach dem nächsten K(l)ick suchen

Dopamin-Kick, kann er süchtig machen?

Inhalt

Stell dir vor, Du bist mitten in einem spannenden Gespräch. Dein Handy vibriert und plötzlich wandert ein Teil Deiner Aufmerksamkeit weg. Nur ein kurzer Blick, „nur mal eben checken“. Kennst Du diese Situation? Dieser kleine Moment, dieser Impuls, ist ein Paradebeispiel für das, was viele von uns täglich erleben: den Drang nach dem nächsten kleinen Kick. Er fühlt sich harmlos an. Doch wenn wir genauer hinschauen, steckt dahinter ein Mechanismus, der uns tiefer beeinflusst als wir denken.

Dopamin: Warum uns nicht das Glück antreibt, sondern die Sehnsucht danach

Dopamin ist ein Neurotransmitter im Gehirn und sorgt dafür, dass Nervenzellen miteinander kommunizieren, sich über bestimmte Informationen austauschen können. Es wirkt auf unser Belohnungssystem, ein komplexes Netzwerk im Gehirn, das darauf ausgelegt ist, Verhalten zu verstärken, das uns nützt oder Freude bereitet. Manchmal wird Dopamin als „Glückshormon“ bezeichnet, was nicht ganz stimmt. Dopamin sorgt nicht in erster Linie dafür, dass wir uns gut fühlen, sondern dafür, dass wir etwas erwarten, das uns gut fühlen lassen könnte. Ein weiterer wichtiger Botenstoff im Gehirn ist das Serotonin, welches eine wichtige Rolle spielt bei guten, bei angenehmen Gefühlen. Man könnte auch sagen: Serotonin ist die Zufriedenheit, Dopamin ist die Vorfreude.

Vom Überlebensvorteil zur Alltagsfalle: wenn das Belohnungssystem süchtig macht

Früher half uns dieses System zu überleben: Essen, soziale Bindung oder Erfolgserlebnisse setzten Dopamin frei und motivierten uns, ähnliche Situationen wieder aufzusuchen. Heute jedoch nutzen viele moderne Reize, von Social-Media-Feeds bis zu Online-Shopping, genau diesen Mechanismus aus. Das führt dazu, dass unser Gehirn ständig nach neuen Auslösern sucht, die den nächsten Schub versprechen. Je häufiger wir diese schnellen Belohnungen erleben, desto mehr gewöhnt sich unser Nervensystem daran. Die Folge: wir brauchen stärkere oder häufigere Reize, um denselben Effekt zu spüren. Genau hier beginnt der Kreislauf, aus dem leicht eine Sucht entstehen kann: Das Belohnungssystem verlernt, Zufriedenheit aus Langsamkeit und Tiefe zu ziehen und fixiert sich auf die ständige Jagd nach dem nächsten „Kick“.

Typische Momente, in denen Dopamin eine Rolle spielt:

  • Voller Vorfreude wartest Du auf eine Nachricht.
  • Mit frischer Energie beginnst Du ein neues Projekt.
  • Schon beim Gedanken an Dein Lieblingsessen spürst Du ein Lächeln

Das Problem: Unser moderner Alltag ist voll von Mini-Belohnungen, die diesen Motor ständig anwerfen. Ganz oft, ohne dass wir es merken.

Dopamin: Süchtig nach dem nächsten „Ping“?

Früher brauchte es Tage oder Wochen, bis wir ein Ziel erreichten: die Ernte einfahren, ein Buch fertigstellen, einen Brief erhalten. Heute bekommen wir Dopamin-Trigger im Sekundentakt:

  • Likes auf Social Media.
  • Push-Benachrichtigungen.
  • Serien mit Cliffhanger-Enden.
  • Online-Shopping mit „Lieferung morgen“.

Jeder kleine Reiz wirkt wie ein Mini-Lottogewinn für das Gehirn. Weil wir nicht wissen, wann er kommt (z.B. ob eine Nachricht interessant ist), setzt Dopamin noch stärker ein. Hier sprechen wir vom sogenannten variablen Belohnungssystem: das gleiche Prinzip, warum Spielautomaten süchtig machen können. Das perfide daran: Je öfter wir diese kleinen Kicks bekommen, desto mehr stumpfen wir ab, desto mehr brauchen wir, um uns wieder „normal“ motiviert oder glücklich zu fühlen.

Hochsensibel online… und plötzlich erschöpft: Gefangen im Dopamin-Strudel?

Menschen mit hoher Empathie haben ein sehr feines Sensorium für Stimmungen, Signale und Reaktionen. Das betrifft auch den digitalen Raum.

  1. Jede Reaktion wird intensiver wahrgenommen.
    Ein freundlicher Kommentar, ein Lob, ein Herzchen… Es fühlt sich nicht nur nett sondern sehr bedeutsam an.
  2. Das Bedürfnis nach Resonanz ist stärker.
    Empathische Menschen leben oft in einem intensiven Austausch mit anderen. Digitale Plattformen bieten dafür einen unendlichen Strom an Feedback, oft in kleinen, aber emotional wirksamen Dosen.
  3. Die Gefahr der emotionalen Erschöpfung wächst.
    Wer ständig reagiert, fühlt und antwortet, lebt in einem Dauerfeuer aus Reizen: das Dopamin-System läuft schneller heiß.

Für sensible Menschen ist das nicht nur eine Zeitfrage, sondern eine Energiefrage: Jeder kleine K(l)ick zieht Aufmerksamkeit, Emotion und damit auch Kraft.

Dauer Dopamin-Kick: Der Preis für unsere Psyche

So angenehm die kleinen Hochgefühle auch sind, sie haben auch Nebenwirkungen:

  • Reizüberflutung: Das Gehirn wird ständig mit Neuem gefüttert, wodurch längere Konzentration schwerfällt.
  • Abnehmende Freude an Langsamem: Bücher lesen, meditieren oder einfach mal nichts tun fühlt sich ungewohnt „leer“ an.
  • Emotionale Abhängigkeit: Wir gewöhnen uns daran, dass äußere Reize unsere Stimmung steuern.
  • Innere Unruhe: Der Körper ist im Dauer-Alarmmodus, weil er ständig „auf das Nächste“ wartet.
  • Verlust der inneren Stimme: Wer sich permanent nach außen orientiert, verliert den leisen Kontakt zu den eigenen Bedürfnissen.

Wie wir aus dem Dopamin-Karussell aussteigen können: Fünf Tipps für Deine Dopamin-Diät

Es geht nicht darum, Dopamin zu „vermeiden“. Ohne Dopamin würden wir morgens nicht mal aus dem Bett kommen. Es geht darum, das System wieder ins Gleichgewicht zu bringen und bewusst zu wählen.

1. Bewusst Pausen schaffen

Setze dir klare „doppelte Türen“ zwischen dir und dem nächsten Reiz, zum Beispiel:

  • Push-Benachrichtigungen am Handy ausschalten.
  • Handy in einem anderen Raum lassen.
  • Beim Arbeiten nur ein Programm offenhalten.

2. Langfristige Belohnungen wieder kultivieren

Suche dir Projekte, die Geduld erfordern und belohne dich erst nach echten Etappen:

  • Ein Musikinstrument üben.
  • Etwas Kreatives erschaffen.
  • Einen Garten pflegen oder Pflanzen ziehen.

3. Monotasking üben

Statt parallel mehrere Dinge anzufangen, bewusst eine Aufgabe beenden.
Das gibt dem Dopamin-System einen klaren Zyklus: Start – Arbeit – Abschluss – Belohnung.

4. Achtsamkeit im Moment trainieren

Für empathische Menschen besonders wertvoll: wieder fühlen, ohne gleich handeln zu müssen.

  • Einen Kaffee trinken und nur schmecken.
  • Musik hören und nur lauschen.
  • In einem Gespräch wirklich präsent sein.

5. Digitale Fastentage einbauen

Ein halber oder ganzer Tag pro Woche ohne Social Media oder Internet kann Wunder wirken.
Anfänglich fühlt sich das ungewohnt leer an. Genau das ist das Zeichen, dass dein System Entzug braucht.

Das tiefe Geschenk der Entschleunigung

Für empathische Menschen liegt die größte Belohnung nicht im Kick selbst, sondern in der Tiefe der Verbindung. Mit anderen, mit der Natur, mit sich selbst. Wenn wir das Dopamin-Karussell ab und zu anhalten, passiert etwas Spannendes:

  • Wir spüren wieder, wie sich echte Vorfreude anfühlt.
  • Wir erkennen, dass nicht jede Reaktion sofort beantwortet werden muss.
  • Wir erleben Momente, die nicht nur aufregend, sondern nährend sind.
  • Wir finden zurück zu Tätigkeiten, die uns im Inneren ruhig und zugleich lebendig machen.

Und vielleicht merken wir, dass das, was wir suchten, nie der schnelle Kick war, sondern die tiefe Erfahrung, wirklich da zu sein.

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